«Der Besuch der alten Dame»

Licht aus, Bühnenbeleuchtung an. Zitternd und frierend drängen sich die Schauspieler auf der, wie eine Treppe aufgebaute, Bühne. Vom Wind gebeutelt stehen sie da, mit einem Banner, auf dem «Willkommen» geschrieben steht. Und schon tritt die Frau, auf die sie warten, Clara auf. Eine Erscheinung mit blondem Haar und weißem Kleid und singt ihr erstes Lied, dessen Text wohl perfekt mit Dürrenmatts Auffassung von grotesk übereingestimmt hätte.

So jedenfalls der Anfang des von Armin Petras als Regietheater aufgeführten Stücks «Der Besuch der alten Dame» frei nach Friedrich Dürrenmatts tragischer Komödie. Dem 1955 uraufgeführten Drama wurde vom Staatsschauspiel in Dresden in Zusammenarbeit mit dem Maxim Gorki Theater Berlin ein neues Gewand verliehen.

Die Geschichte der alten Dame Clara, die in ihre Heimat zurückkehrt und den Bewohnern eine Milliarde anbietet, wenn sie Alfred Ill, der sie in jungen Jahren betrogen hat, töten, bleibt in ihren Grundzügen erhalten. Jedoch hat Petras einiges getan, um das Stück inhaltlich und äußerlich zu verjüngen. So ist der Austragungsort der Neufassung beispielsweise keine Kleinstadt der 50er Jahre, sondern ein heruntergekommener Ort im Osten Deutschlands nach dem Fall der Mauer. Auch die «alte» Dame könnte man wohl noch nicht als eine Frau im «Winter ihres Lebens» bezeichnen. Viel eher wird sie von Christine Hoppe, in unserem Fall wunderbar vertreten von Rosa Enskat, mit viel jungendlichem Elan und Sexappeal gespielt.

Allerdings wurden einige Inhalte im Gegensatz zum Originalstück vollkommen geändert bzw. hinzugefügt. Anstatt des bei Dürrenmatt symbolträchtigen schwarzen Panthers wurde ein Leopard zur Besetzung genommen, der von einer Tänzerin dargestellt wurde. [...]

Eine weitere inhaltliche Neuerung ist eine Liebesbeziehung zwischen Ills Tochter und dem Polizisten. Eigentlich wollte Dürrenmatt in seinem Drama das Fehlen der Liebe unterstreichen, jedoch spiegelt diese Konstellation Claras Schicksal wieder: eine Frau, ein Mann, sie wird schwanger und er kann sich nicht für sie entscheiden. So wird das junge Mädchen aus der Gesellschaft ausgestoßen. Meiner Meinung ist diese Einfügung eine geniale Idee des Armin Petras, um einen wichtigen Aspekt von Dürrenmatts Stücks sinngemäß darzustellen.

Ebenfalls eine interessante Neuerung ist der Aufbau der Bühne. Kein Bild einer Kleinstadt, sondern eine Treppe, angelehnt an die griechische Tragödie und Sinnbild für das Auf und Ab im Leben der Protagonisten. [...]

Eine besondere Verbindung konnte man zur Figur des Bürgermeisters aufbauen, da dieser auch das Publikum mit in sein Schauspiel einbezog, wie zum Beispiel eine Klettereinlage über die Sitze der Zuschauer.

Bisweilen konnte das Stück auch etwas langweilen und manche Übergänge hätten etwas schlüssiger sein können.

Doch mein Fazit ist, dass die tragische Komödie Dürrenmatts einen würdigen Nachfolger gefunden hat, der mit seinem Humor und einer guten Besetzung überzeugt.

Auszug aus einer Rezension von Juliane Hecht, Leistungskurs Deutsch 11